Montag, 20. Februar 2012

25.10.2010 – Bamberg – Morph Club – Mein erster Slam (1)

Zu dem Zeitpunkt wusst ich noch nicht, dass ich an jedem weiteren Slam einen Bericht schreiben werde. Und dass ich weiter slammen werde. Noch viele Male. Doch lest die ersten Gedanken nach einem Slam selbst:


25.10.2010 – Bamberg – Morph Club – Mein erster Slam (1)

Montag Abend.
20.40 Uhr komm ich am Morph Club an. Die Türen sind geschlossen. Doch es stehen viele Leute davor!
Hab ich was vercheckt? Ists nicht heute? Doch! Die Tür ist nur zugefallen und wir müssen warten, bis wer von drinnen raus kommt.

Dann rein, noch sind nicht viele da – aber 20 Minuten später ist fast der komplette Morph voll. Die Spannung steigt. Ich erkunde mich noch kurz bei den Organisatoren, wie das nun alles hier ablaufen wird, krieg ein kostenloses „Astra“ (Astragegen?), vertreib mir noch ein wenig die Nervösität und setz mich dann in die Slam-Ecke, wo Gauner (Ein MC der frühen Hip-Hop-Stunden in Deutschland. Beispiele seiner Musik: http://www.youtube.com/watch?v=e2zxMdUVeLA&feature=related ) und ein anderer Slammer schon sitzen – die anderen Slammer haben sich noch bei ihren Leuten rumgetrieben, sind nie in die Ecke gekommen. Ich wollts mir aber nicht nehmen lassen, Gauner mal aus der Nähe zu betrachten – und einen Slam praktisch „von hinten“.
Als ich dann zu diesem Zeitpunkt erfahren habe, dass Gauner zudem außer Konkurrenz startet, hab ich meine Chance, eine Runde weiter zu kommen, gleich erhöht gesehen. Zuerst ging er nun auf die Bühne, um mit seinen Geschichten, die er schon in ganz Deutschland und über die Grenzen hinaus präsentiert hat, die Menge aufzuheizen. Dann gings erst zum eigentlichen Slam: Die 2 Moderatoren erklärten noch einmal die Regeln und losten dann aus, in welcher Reihenfolge die Leute antreten würden. Mir war klar: Derjenigen, der anfangen würde, hatte die Arschkarte gezogen – denn a) im Vergleich zu Gauner würde jeder versagen und b) die Menge war einfach noch nicht „heiß“.
In der Slam-Ecke konnte ich dann noch kurz mit einem anderen Slammer reden, ich hatte ihn gefragt, wie oft er schon aufgetreten ist. Antwort: „Ein paar Mal …“ – Das liess mich aufatmen. Ein paar Mal, wie gut kann er also sein. Als er dann aber nachschob „so circa 30 werdens sein“ war das natürlich auch wieder über den Haufen geschmissen. Als er hörte, dass es mein erster Auftritt war, hat er mir ein wenig Mut gemacht. Doch dann auch gleich „Oh Gott .. Du bist Erster“ zu mir gesagt, während ich gar nicht kapierte, was er von mir will. Und schon applaudierte das gesamte Publikum, ich wurde sozusagen auf die Bühne geschubst. Erwartet hatte ich, dass ich noch mindestens 2-3 Minuten hatte, weil die Moderatoren beim letzten Slam ewig lang noch einleitende Worte angebracht hatten. Dieses Mal nicht.
Also raus. 400 Augen sahen mich an. Diese 400 Augen in diesem Moment zu begrüßen hab ich dann erstmal vergessen, ich musste mich nun auf mich konzentrieren. Also angefangen .. „Ich stell Euch jetzt jemanden vor, den ich selbst nicht richtig kenn …“. Und durchgezogen. Die Augen der Leute verfolgten mich. Einen kleinen Textpatzer hatte ich, aber eigentlich nicht der Rede wert. Und gezittert hab ich wie blöd. Meine Beine, also Waden vor allem. Doch meine Hosen waren vermutlich zu weit, als dass das aufgefallen wäre.
Und so war ich dann wohl 5-6 Minuten oben und hab meinen Text präsentiert.
Als dann die letzte Zeile kam: „All die ganzen Jahre wars, als ob ich mich versteck – und mit nem viel zu kleinen Danke schenk ich Dir heute diesen Text“ fiel … blieb mir nur noch ein „Danke“ … und ich zog die sofortige Flucht in die Slammerecke vor.
Doch es war sensationell! Die Menge tobt. Lautes Pfeifen, jeder klatschte, sogar die anderen Slammer und Moderatoren applaudierten. Ich hatte es geschafft! Nicht fehlerfrei präsentiert, aber gut präsentiert. Und es ist gut angekommen!
Nun waren die Moderatoren wieder an der Reihe: Sie forderten die Jury dazu auf, ihre Wertungen abzugeben. 3, 2, 1, Hoch! Doch was sah ich da? Ich konnte von der Ecke aus lediglich 2 Wertungen einsehen: 2x 5er! Untergang also! Die restlichen Wertungen waren dann zwar besser (9, 7, 6), da aber die beste und die schlechteste Wertung raus fällt, hatte ich lediglich 18 Punkte. Und auch, dass die 5er und 6er ausgebuht wurden, von Publikum und dem Slammer neben mir, hat mir auch nicht viel geholfen. Dass 18 Punkte nicht viel war, war mir bewusst. Es musste also ein Wunder geschehen, dass das heute für mich noch weitergehen sollte. Als der nächste Slammer dann auf der Bühne war, versicherten mir die Moderatoren, dass ich eigentlich mindestens 24 Punkte verdient hätte und die Jury heute „echt komisch“ sei. Aber gut. So ists.
Die anderen Slammer waren dann die typischen 0815-Geschichten-mit-Wortwitz-Erzähler, sogar der, der über Eisbären im Zoo erzählt hat, im Aufzählungsstil, hat mehr Punkte als ich bekommen. Lediglich ein Mädel, das ein Märchen vorgelesen hat, hat sich noch hinter mich gedrängt. 5ter Platz von 6 also.
Dass der Slam dann letztendlich auch noch von jemandem gewonnen wurde, der es meiner Meinung nach gar nicht verdient hat und der vorher schon „49 %“ von den anderen Leuten geklaut hatte, macht meine Stimmung natürlich auch nicht besser.
Doch als dann nach dem Slam, als alles fest stand, mehrere Leute auf mich zu kamen, wildfremde Leute, die meinten, dass mein Text sie berührt hätte, dass er der beste war und dass die Jury heute mal wieder bewiesen hat, dass dieses 5-Personen-stimmen-ab-System nicht objektiv ist, hat mich doch sehr motiviert und mir Kraft gegeben.

Wie alles ausgegangen wäre, wenn ich nicht an erster Position gewesen wäre, sondern z.B. an der letzten?
Ich glaube eigentlich, dass ich eine sehr hohe Chance auf die nächste Runde gehabt hätte. Und ja, auch ich fand meinen Text, im Vergleich, auf jeden Fall am tiefgründigsten, am emotionalsten, am nachdenklichsten und überhaupt am menschlichsten. Was sind schon Wortwitze gegenüber Emotionen?
Aber gut. In 2 Wochen ist der nächste Jam. Viele Leute, neue Bekanntschaften in Facebook durch den Slam, aber auch mein Umkreis, der als Support dabei war, sagt, ich solle wieder auftreten. Ob ichs tu? Ob ich mich trau?
Ich weiß es noch nicht. Zu verlieren gibt es wenig.
Immerhin gibt es kostenlos Eintritt und alle Getränke sind kostenlos. 4 Bier umsonst zu bekommen für eine 6 Minuten-Präsentation auf der Bühne, an der man zudem sowieso nur wächst, das ist eigentlich nicht das Schlimmste auf der Welt.

Und wie sagt Jan Delay?
"Wenn da draussen jemand ist, der mich versteht - verkauf ich halt nur eine Platte"

Ob ich es ein weiteres Mal versuche? Ich glaube schon. Alles andere würde ich mir vielleicht nicht verzeihen. Schließlich war es eventuell nur ein Losgriff, der verhindert hat, dass ich erfolgreicher war. Und das nächste Mal seh ich dann wahrscheinlich, ob es wirklich nur das Los war. Oder ob ich mich überschätze.


Weitere Notizen am Rande:
- Mein Gedanke, nachdem der Witzeerzähler mehr Punkte hatte als ich: „Wenn was ist, ich bin bei Moe“.
- „Ich halte mich für den Besten, da kann komm´, wer will, deren „Super-Texte“ landen hier im Sondermüll!“
- Nachdem meine Begleitungen alle dann gehen, lauf ich noch ein wenig gen Innenstadt, um die Nacht und den Abend auf mich wirken zu lassen. Und wen treff ich? Das Mädel, das das Märchen erzählt hat. Wir essen zusammen nen Salat. Also ich. Sie Döner! Verkehrte Welt. Sie macht mir Mut, versucht mich zu überzeugen, dass ich es weiter probieren soll. Ja. Ich will es versuchen.

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