Donnerstag, 22. März 2012

18.01.2011 - Forchheim - Rock Cafe - Der erste Sieg, ein Paukenschlag (7)

Viel Erfolg habt Ihr mir gewünscht?
Danke!
Hat gewirkt.

Ich bin seit gestern nacht offizieller Forchheimer Slam-Meister!

Ein "kleiner" Bericht dazu folgt im Laufe des Tages.
Unfassbare Welt!

Forchheimer Stadtmeister!
Wie sich das anhört. Hat auf jeden Fall nix mit der Realität zu tun!

Der Bericht dazu:


Der Abend der Abende!

Nun gut. Wenn ich ehrlich bin, hat der Abend schon etwas früher begonnen.
18.45 Uhr war mein Zugabfahrtstermin in Bamberg, natürlich war meine Planung diesbezüglich wieder sehr eng, weswegen ich mit dem Auto nach Bamberg und von dort dann in den abfahrenden Zug springen wollte.
Soweit der Plan.

Nur blöd, dass es rote Ampeln gibt. Nicht nur, dass rote Ampeln einen ziemlich stressen können, weil man davor anhalten muss. Blöd ist auch, dass die Autos vor einem manchmal schneller bremsen als man selbst. BAM hats gemacht.
Naja. Ausgestiegen, der Typ vor mir hat sich geärgert. Ich bin ihm hinten drauf gefahren. Man hat nix gesehen, ok. Puh. Weder bei mir, noch bei ihm.
Trotzdem hatte er schon schlechte Erfahrungen mit so nem „Man sieht ja nix“-Unfällen, also hab ich ihm binnen gefühlten 10 Sekunden nen Schrieb erstellt, in dem ich alle Schuld auf mich nehm. War ja auch so. In Moment des Unfalls war mir klar, dass ich den Zug verpass. Aber ich habs schnell abgehandelt. Die Zeit würde jetzt nicht mehr reichen, um in der Nähe meiner Schwester zu parken und zum Zug zu rennen – aber wenn ich Glück hab, WENN ich Glück hab, dann kann ich noch auf dem Weg zum Bahnhof einen Parkplatz finden. Und tja, ich hatte Glück.
Rucksack drauf, los rennen. 1 Minuten vor Zugabfahrt bin ich eingestiegen.
Ereignisreicher Teil bis hierher.
(Telefonat am Donnerstag mit dem Fahrer hat übrigens ergeben, dass am Auto von ihm nix kaputt ist, nur ein Kratzer, jetzt wird’s lackiert und meine Versicherung übernimmts. Tjoa.)

Rein in den Zug.
Mein Tagebucheintrag, den ich dort erstelle:

„Slam in Forchheim. Gerade sitz ich im Zug dorthin, werde nervös!
Meine Ziele für heute und morgen: Einmal die erste Runde überstehen! Vater Zeit, ich setz auf Dich.
Meine Erkältung macht sich zwar bemerkbar, aber ich werd mich zusammen reißen.
Ich kanns schaffen. Ich kanns schaffen.
Heute ohne Cap, dafür viel Optimismus.
(…)“


Tagebucheintrag-Fortführung, später geschrieben:
„Ein Mädel im Zug gibt mir mit einem Blick Selbstbewusstsein!“


19.31 Uhr komm ich in Forchheim an.
Vorher fürchte ich mich davor, zu spät auszusteigen, Forchheim zu verpassen.
Wenn man abends Zug fährt und draußen schlecht beleuchtet ist, ists echt Chaos!

Bahn.de schreibt, dass ich vom Bahnhof zum „Rock Cafe“ 15 Minuten zu Fuß brauche.
Nur blöd, wenn man schon die erste Straße mangels Straßenschilder nicht findet, Leute fragen muss. Ich bewege mich im disziplinierten Laufschritt, später jogge ich sogar ein wenig. 19.58 Uhr komm ich im RockCafe an.

Erstmal auf die Toilette. Dort redet mich sofort ein älterer Typ an, der mich anfangs nicht sieht, die Türe fast auf die Nase haut und sich deswegen entschuldigt. Ob ich auch ein Slammer sei. Joa. Und was ich heute abend so mach. Die Leute machen ja wirklich sehr sehr unterschiedliche Sachen. Und ich mach so was. Ahja. Und ich solle die Unterhaltung auf der Toilette, die ja schließlich unter Männern geschehen ist, bitte nicht einbauen soll in den Slam.
Als er das gesagt hatte, hatte ich kurz die Idee, es doch zu tun. Wenn es zu meinem Text gepasst hätte, mein Text nur ein bissl lustig wäre, hätt ichs gemacht.

20.15 Uhr, der Slam beginnt.
10 Slammer sind da.
Es gibt neue Regeln. Es gibt keine Jury, das gesamte Publikum ist nämlich die Jury!
Nach Klatschen und der Entscheidung vom Moderator, der nachfragt, ob das Publikum damit einverstanden ist, wenn es eng ist, wird weitergewählt.
Dazu wird es 2 Gruppen geben.
Zuerst 5 Slammer, dann Abstimmung, wer davon weiterkommt.
Dann weitere 5 Slammer, dann Abstimmung, wer davon weiterkommt.
Dann Finale 1 on 1.

10 (…) Namen in einen Hut.
Eine Losfee benannt, die immer nach jedem Slammer den nächsten zieht, der dann direkt auf die Bühne darf, muss, soll.

Slammer Nummer 1: Jonathan Baumgärtner, Schweinfurter, ist Moderator eines Slams dort, hat dazu bei der U20-Regional-Meisterschaft schon einiges gerissen.
Text: Bombe.

Slammer Nummer 2: Daniel Wagner, amtierender deutscher Vizemeister, weit anreisend.
Bringt ne Mischung aus nem persönlichen Text, aber auch krasser Kritik am Sozialstaat mit viel Wortwitz und gekonntem Entertainment.
Text: Bombe².

Hier merke ich: Ok. Die Konkurrenz ist heute aber so was von übermächtig! Schön, dabei gewesen zu sein ;)
Und ich hoffe, dass eventuell die anderen nicht so gut sind und die besten schon dran waren.

Slammer Nummer 3: Aus Hamburg angereist, einer der bekanntesten Slammer deutschlandweit aus meiner Sicht: Schriftstehler. 2 melancholische Texte, zuerst bringt er einem Mädel ne Liebeserklärung nachts um 4, hätte sich aber dafür mehr Zeit nehmen sollen, er kommt zu früh. Und den zweiten Text, den er für sie geschrieben hat, anschließend bringt, kommt zu spät. Sie hat sich 3 Tage vorher umgebracht.
Text: BAM.

Ok. Hm. Es wird nicht schlechter. Verflucht!
Wenn ich da jetzt Nummer 4 oder 5 bin, bin ich so gut wie raus. Alles andere wäre Irrsinn.

Slammer Nummer 4: Iris Schwarz, Berlinerin. Krachertext über Jugendliche und Jugendsünden. Alle schmeißen sich extrem weg.
Text: Kracher mit sehr vielen Lachern!

Slammer Nummer 5: Marilisa, U20-Meisterin oder so, auch aus Schweinfurt. Vergleicht zwischen Arm und Reich, zwischen Wegwerfgesellschaft und Billiglohnland, der sich jedoch anders als erwartet zu einem 11. September zuspitzt, an dem sich alles ändert. 17-Jährige Slammerin, die mit kindlicher Unschuld und weiblichem Charme alle verzaubert.
Text: Zum Weinen.

Abstimmung:
- Abstimmung 1 ergibt, dass der Moderator Daniel Wagner und Iris Schwarz auf den vorderen Plätzen sieht. Er fragt, ob das Publikum einverstanden ist. Das Publikum sagt: Nö!
- Abstimmung 2 ergibt, dass Daniel Wagner als alleiniger Sieger der Vorrunde fest steht. Ok. Der deutsche Vize-Meister von November 2010 setzt sich gegen die anderen Slam-Größen durch. Damit ist er ab jetzt natürlich heißester Kandidat auf den Gesamtsieg.


Kleine Pause, in der sich alle ein neues Getränk holen.


Und sie beginnt.
Jetzt wird’s also kritischer für mich. 20 %, dass ich jetzt gezogen werde.

Slammer Nummer 6: Martin Geier aus Nürnberg, der Slammer, der, hat mal wer gesagt, 2010 deutschlandweit die meisten Slams mitgemacht hat. Bei BahnCard 100 muss er dies auch, um die wieder reinzuholen! Geschichte über ein Mädel, das er sich nicht traut, anzusprechen. Am ersten Abend trinkt er sich mit Schnaps locker und schläft dann ein. Am zweiten Abend mit Rotwein und schaffts, nach zu großer Menge, nicht mehr auf die Toilette und wird von allen schön fotografiert, wie er kotzend rumliegt. Beim dritten Versuch wird er von nem anderen Mädel angemacht, was er sich schön redet, bis sie plötzlich auf seinem Schoß sitzt. Er schubst sie runter und sie fliegt mit dem Kopf auf einen Öttinger-Bier-Kasten. Die sind auch für nix gut. Die Frau, die er eigentlich mag, geht heim und findet ihn abstoßend, weil die Öttinger-Frau von anderen als von ihm verarztet wird.
Text: Viele Lacher, geile Sache.

25 % für mich.
Nase Putzen, damit ich auf der Bühne ne freie Nase hab.

Slammerteam Nummer 7: Team Höhenflug! 2 Forchheimer Locals, die sich zusammen getan haben und einen Text gemeinsam vortragen. Sie wollen das mit 2 Mikrofonen machen, allerdings spielt die Technik nicht mit und verdirbt die Stimmung. Blöd gelaufen. War mein erster Team-Slam, sehr nachdenklich und inhaltlich über die Liebe zum Schreiben.
Text: Wenn er nicht vorher schon kaputt gemacht wurde, wärs wirklich gut geworden!

33 %, dass ich jetzt komm.
Nase Putzen, damit ich auf der Bühne ne freie Nase hab.

Slammer Nummer 8: Armin Neitzel. Eindeutig lustig. Lästert über Weihnachten, Familienfrieden. Text fand ich nicht überragend, zumindest verglichen mit dem restlichen Line-Up, allerdings hat er ne Performance gezeigt, die man erstmal machen und können muss. Körperbetont eben. Mit nem guten Text, kombiniert mit dieser Performance, hat er definitiv Chancen auf jeden Sieg.
Text: Heute zwar lustig, aber kein Anwärter auf den Sieg aus meiner Sicht.

Tja.
50 %, dass ich jetzt komm.
Nase Putzen, damit ich auf der Bühne ne freie Nase hab.

Der Moderator kündigt den letzten Poeten für heute abend an. Ich denke mir: Nanu!?! Ist Clara gar nicht dabei?
Die Losfee zieht. Clara Nielsen.
Öhm. Hm! :D
Na gut, hat mich gefreut! Also Ciao :P

Slammer Nummer 9: Clara Nielsen. Extrem erfolgreiche Bambergerin, Erlanger Rekordmeisterin, war bei mehreren deutschen Meisterschaften dabei und hat viel gewonnen. Leichtfüßige Zeilen, mit denen sie berauscht. Handeln von ihrer Studentenzeit und der Überlegung, wo das Leben hinführt. Weiblicher, intelligenter Charme at its Finest.
Text: Bombe.

Moderator hat in der Zwischenzeit gemerkt, dass auch noch ich da wäre.
Noja. Und weils auch nicht mehr kostet, wurde ich noch auf die Bühne geworfen.
Entweder ist mein Zettel verloren gegangen - oder etwas Ähnliches ist passiert. Keine Ahnung.

Zum ersten Mal genieße ich es, nicht auf einer Bühne zu stehen, also etwas abgehoben und abgetrennt vom Publikum – sondern inmitten des Publikums. Leicht schräg von mir zu jeder Seite und vor mir sitzen und stehen Leute. Wie in einer Arena. Ich bleib, wie immer bei dem Text bisher, ohne Einleitung, nur ein „Hey Ihr“, dann leg ich los. Der Text passt, ich hab ihn drauf.
Die größten Probleme machen meine Waden. Sie zittern schon wieder wie blöd. Ich stell mich schon auf die hinteren Teile des Fußes, die Zehenspitzen sind fast in der Luft, damit die Waden angespannt sind. Meinen Text mach ich unbewusst, aus Herz und Hirn heraus. Gestik, Mimik passt, ein wenig hab ich scheinbar schon dazu gelernt.

„All die ganzen Jahre wars, als hätt ich mich versteckt;
und mit einem viel zu kleinem Danke – schenk ich Dir heute diesen Text.
Danke.“


Runter von der Bühne.

BAM!
Höllischer Applaus!
Ich merke, dass da eventuell was geht! Dass ich ne Chance hab, mein gefasstes Ziel heute schon zu erreichen. Ich hab eine Chance aufs Halbfinale!

Moderator geht wieder auf die Bühne, sagt erstmal, dass es jetzt scheiße ist, dass er was sagen muss, weil er das eigentlich noch gerne hätte wirken lassen – aber es muss eben auch weitergehen. Da er nach jedem Slambeitrag immer mit einem Satz den Beitrag zusammen fasst, tut ers auch bei mir:
„Na, wer würde unseren Matthias Schmitt nicht gerne adoptieren?“
Ich komm in dem Zeitpunkt dann wieder von meiner Heartcore-Stimmung runter und lang mir an den Kopf und kann nicht fassen, dass er das jetzt echt gesagt hat.
Naja.
Direkt sollen alle Slammer auf die Bühne, Abstimmung jetzt.

Ich kann nicht in die Menge schauen, klatsche für alle laut mit und schaue dabei auf den Boden und die Slammer. Applaus für ihn, sie, ihn, sie. BAM-Applaus für mich. Eindeutige Sache. Ich lang mir an den Kopf, freu mich extremst.

Zitat aus dem Review aus dem Forum Frankenslam.de:

- Matthias Schmitt: Der beinahe-Neuling erwies uns die Ehre, seinen sehr emotional gestrickten "Vater-Text" zu präsentieren, worauf hin er mit umjubeltem Applaus ins Finale gewählt wurde.


Eine kleine Pause wird ausgerufen. Ich hau kurz ein wenig auf die Wand, um auszudrücken, dass ich mich gerade wie der König der Welt fühl. Ich hab mein Ziel erreicht. YES!
Mehrere Slammer kommen her und bestätigen mir, dass mein Text gerade wirklich der Geilste war. Sie freuen sich aufs Finale.

Ach ja. Finale.
Jetzt kommt das Finale.
Gegen den deutschen Vize-Meister.
Haha. Witzbolde. Ich gegen den deutschen Vize-Meister.
Aber … andrerseits. Wieso nicht.
Ich hab ne Chance. 50-50 nicht, nö.
Aber ich hab ne Chance. Und ich werde jetzt alles geben.
Erstmal nen Traubensaft bestellen.


Traubensaft rockt.
Finale folgt sofort.
Ja, jetzt geh ich aufs Ganze.
Zuerst der Vizemeister, da es Tradition ist, dass, wenn ein Rookie alle Schaltjahre mal ins Finale kommt, der andere immer anfängt. Normalerweise ist es auch Tradition, dass ein Anfänger bei nem normalen Slam in der ersten Runde nie als Erster auf die Bühne muss – allerdings, siehe mein erster Slam, ist das wiederum nicht überall so.

Er also.
Er spricht darüber, dass er nun sein wahres Ich enthülle, wie es ist, dauernd gefragt zu werden, wie es sich so als deutscher Vizemeister anfühlt, dass er einerseits drunter leidet, andrerseits aber seine Toilettenschüssel nun aus Saphir bestehe und er sich seine Texte fortan nur noch schreiben lässt.
Überhaupt, Platz 2, was wäre das. Ok. Platz 3 wäre Gott, das hat Platz 2 geschmeichelt. Top Ten war auch namhaft, Schiller, Mao, Nietsche. Platz 2 ist schon ok.
Dann aber für mich der Tiefpunkt des Beitrags: Er disst mich!
Fragt mich vorm Beitrag, als er auf die Bühne geht, noch wie ich noch mal heiß, schon das war nicht ganz motivierend.
Und meint im Beitrag dann, dass Platz 2 ja gar nicht so schlecht sei. Matthias hingegen wäre heute mit dem Halbfinale ja gerade mal in die Top 1000 eingestiegen. Damit wär er aber zumindest vor Hitler.
WHAT?
Die Leute lachen, weil er nebenbei noch ne Pointe anhängt. Slammer allerdings schauen mich an, haben kapiert, dass das jetzt gerade gegen mich war. Nen Neuling noch nervöser machen als er ist, was gehtn. Mein „Dir zeig ichs aber jetzt, Pisser“-Denken setzt ein.
Ich überleg, ob ich irgendwie kontern kann. Aber mir fällt weder was ein, noch lass ich das jetzt an mich ran. Würde mich nur durcheinander bringen. Nein, ich zieh jetzt lieber mein Ding durch. Nach Plan!

Auf die Bühne. Die Leute schauen mich an. Ich erzähl mein Intro. Meinen Text lass ich gefaltet. Ich brauch ihn nicht in der Hand. Ich wollte ihn zur Sicherheit mitnehmen, ich glaub auch, dass es gar nicht so schlecht war. Ich bin nun mal der Rookie und will gar nicht professionell rüberkommen.
Mein Text passt. Ich hab ihn drauf.

6 Minuten Vortrag. Stille und keine Bewegung im Publikum. Ich frag mich, ob sie überhaupt gezwinkert haben.
Sie haben an meinen Lippen gehangen, ich hatte während des Vortrags ein gutes Gefühl.

Runter von der Bühne.
Es war viel Applaus, wie viel genau, weiß ich nicht.
Ich will sofort zur Bar.
Ich brauch ein Bier.
Der Vizemeister eilt herbei, will mit mir jetzt ein Bier trinken.
Wir bestellen zusammen, er klopft mir auf die Schulter.
Ich frag mich, was der jetzt von mir will.

Wir müssen, noch bevor das Bier kommt, zurück auf die Bühne. Abstimmung.
Also gut. Publikum, Du hasts in der Hand.
Entweder gewinnt heartcore oder derjenige, der nur gewinnen kann.

Zuerst für ihn abstimmen.
Das Publikum rastet aus. Schreit. Ruft.
Ich überlege, ihm die Hand zu geben und zu gratulieren, noch vor meinem Applaus.
Den abzuwarten ist doch verschwendete Zeit.
Doch ich entscheide mich dagegen.
Ne minimale Chance hab ich sicher noch. Und wenn ich gewinnen sollte und ihn vorher gratuliert hab, könnte er das als Provokation, Beleidigung oder Sonstiges ansehen. Also warte ich lieber, bis ich ihn gratulier.
Für mich soll applaudiert werden.
BAM BAM BAM BAM BAM BAM!
Das Publikum rastet aus. Irgendwoher sind plötzlich 200 zusätzliche unsichtbare Leute gekommen, die mitapplaudieren. Schreien. Rufen.
Der Moderator sagt, es wäre eindeutig. Die Menge ist damit einverstanden. Der Vizemeister gibt mir sofort die Hand und gratuliert mir.

Der Moderator hält noch eine kurze Rede, in dem es um irgendwas wie „Nicht nur in Amerika, nein auch in Forchheim kann aus einem Rookie ein Stadtmeister werden!“ geht. Und feiert mich. Und die Menge feiert mich. (Während ich schreibe: „die Menge feiert mich“ denke und fühle ich übrigens nicht, dass die Menge wirklich MICH feiert. So ein Quatsch. Es war ein super Abend, alles hat gepasst für mich. Aber in nem zweiten Battle, dritten, vierten würd ich immer den kürzeren ziehen. Nein, ich bleibe weiter Realist.)

Die anderen Slammer kommen noch mal auf die Bühne und werden auch noch mal mit Applaus gesegnet, Clara Nielsen kommt zuerst angestürzt, umarmt mich, sagt mir irgendwas richtig Gutes und ist stolz darauf, dass der Sieg wieder nach Bamberg geht. Auch die anderen kommen. Aus Berlin, Hamburg, Schweinfurt, Nürnberg, Forchheim. Alle gratulieren, einige sagen dazu, dass ich heute verdient gewonnen hab und dass ich das nie vergessen werde, denn in 9 von 10 Fällen gewinnt die Top 10 Deutschlands jeden Slam, bei dem sie auftritt.
Vom Kneipenbesitzer gibt’s noch ne Flasche Prosecco, die dann bäh schmeckt und alle Slammer zusammen trinken, bevor mich ein Slammer auf der Bühne anstupst und meint, ich solle mir jetzt das Mikrofon schnappen. Häh? Was? Wieso?
Oh. Ok. Es ist scheinbar auch Tradition, dass der Gewinner eines Slams sich ganz am Ende der Moderation das Mikro schnappt und dem Moderator für den Abend dankt, nachdem dieser sich bei allen anderen bedankt hat. Tja. Gemacht!

Ein paar Leute hauen direkt ab, Publikum wird weniger.
Ich geh an die Bar und hol mir nun endlich mein Bier. Das Bier krieg ich aber erst, nachdem die zwei netten Bedienungen zusammen süß erklären, dass auch sie mich für den besten heute abend hielten. Und dass vorhin ein Mädel da gewesen war, dass mir einen Schnaps ausgegeben hätte. Ich müsse mir also nur noch einen aussuchen.
Der Vizemeister kommt hinzu, kauft sich einen, die Bedienungen trinken beide mit.
Sambuca, alright. Gewinnerschnaps.
Danke an die Frau. Ich glaub, ihr hats sehr gefallen.
Auch der Barbesitzer kommt her und meint, dass das heute der beste Slam insgesamt war, u.a. durch meine Texte, aber allgemein heute ein mega LineUp war. Mehrere Leute, Mädels, Slammer erklären das gleiche. Meinen, dass ich unbedingt weitermachen muss. Und dass sie sich freuen würden, mich das nächste Mal zu sehen.
Ich versuch ne Balance hinzubekommen zwischen Stilles-Örtchen-Suchen, Hinsetzen und Sacken lassen, Nachdenken, was da gerade überhaupt passiert ist – und mit den anderen Slammern rumstehen, Erfahrungen, Eindrücke austauschen und von Besuchern angesprochen werden, die mir teilweise herzergreifend erklären, wie ich sie berührt habe, dass ich Gänsehaut verbreitet hab. Wunderbar, das zu hören.
Auch ein besonderer Typ kommt zu mir. Auf seinem T-Shirt steht „Anti Hip Hop Alliance“. In der ersten Reihe hat er gesessen und mich gestresst. Der Honk.
Doch er kommt her und meint, dass ich heute wirklich verdammt gut die ganzen Emotionen transportiert hätte und es garantiert hier niemanden gegeben hätte, der keine Gänsehaut hätte und mitgezogen wurde in meinen Texten. Ich freu mich.
Kann es allerdings auch nicht lassen, ihm danach zu sagen, dass ich dankbar bin für sein Feedback, allerdings zum Feedback auch ein Feedback geben würde. ICH bin nämlich HipHopper. Und finds komisch, dass er so ein T-Shirt trägt und mir gleichzeitig so ein Feedback gibt. Joa, gut. Meint er. Das sei auch gar nicht so gemeint. Er kenne halt nur Arschlöcher, die Hip Hop hören. Ahja. Jetzt immer noch ;) ? .. Naja. Hmpf. Das T-Shirt sei ja auch schon alt. Und es seien schon Löcher drin. Naja. Hmpf. Naja! Hat mich gefreut. Jup, mich auch. Machs gut, alter Ex-HipHop-Gegner. ;)

Den Kopf musste ich mir an dem Abend noch ein paar Mal zuhalten, damit er nicht explodiert. Hatte schon was von Glück.

Heim gings dann mit den Schweinfurtern, die mich in Bamberg rausgeschmissen haben. Die anderen haben über Studium & Co geredet, ich hab mein Glück mit einigen Leuten geteilt und eine SMS an einige Leute verschickt, von denen ich wusste, dass sie sich mit mir ungefähr so freuen würden, wie ich es getan hab. Danke an Euch, wenn Ihr dies hier lest, die mir zurück geschrieben haben und durch eure Freude meine Freude noch intensiviert habt.

Ich bin also jetzt „offizieller amtierender Stadtmeister von Forchheim im Poetry Slam“. Titel soll ich irgendwann mal verteidigen. Vollkommen realitätsfern. Ich und Stadtmeister. So ein QUATSCH!!!

Frankenslam.de beschreibts:
Das heiße Finale wurde ausgetragen zwischem dem deutschen Vizemeister Daniel Wagner, der sein Wahres ICH enthüllte (das mit dem Ruhm argen Schaden nahm, man denke nur an die Saphir-Toilettenschüssel oder die Texte, die er fortan nur noch schreiben "lässt") und dem fast-noch-Neuling Matthias Schmitt, der einen Text brachte, in dem er seine Huldigung und Bewunderung an eine Freundin aussprach und somit den Vizemeister auf den bewährten Rang verstieß.
Das heißt, dass unter tosendem Applaus (für beide Finalisten) der Neuling zum Sieger und der Vizemeister, nun ja, zum Vizemeister gekührt wurde. Sieger: Matthias Schmitt
Ein besonderer Tag für mich.
Mein erster SlamSieg.
Obs der letzte ist?
Der Realist in mir sagt, dass das gut sein könnte.
Der Competition-Liebhaber mit Ehrgeiz sagt, dass ich bald wieder rocken will.
Bald. Ich werd rocken.


Wies weitergeht?
Weiß nicht.
Wenn ich diesen Bericht noch in der Nacht nach dem Dienstag-Forchheim-Slam geschrieben hätte, würde ich jetzt sagen:
Oh. Morgen geht’s in Amberg weiter.
Ich bin gespannt.
Bericht folgt bald.

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